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2023-02-22 18:41:47 By : Mr. Kenneth Chen

Wallboxen und Ladesäulen verbreiten sich nur schleppend, was die Verbreitung von E-Autos hemmt. Dabei müssten noch nicht mal Fördergelder ausgeben werden.

(Bild: Scharfsinn/Shutterstock.com)

Branchenbeobachter feiern, dass im Dezember 2022 in Deutschland insgesamt 104.325 rein elektrisch angetriebene Autos zugelassen worden sind. Und tatsächlich, das waren so viele wie noch nie zuvor in einem Monat, verglichen mit dem Januar 2022 sogar fünfmal so viele (20.892). Aber die Fördergelder für E-Autos fließen in Deutschland 2023 nur noch sehr reduziert, sodass die Zulassungszahlen jetzt einbrechen dürften.

Damit erscheint das Ziel der Bundesregierung unrealistisch, bis 2030 insgesamt 15 Millionen vollelektrische Autos auf die Straßen zu bekommen, denn bisher sind nur rund eine Million im Verkehr. Die Gründe für die lahmende Ausbreitung sind vielfältig. Außer kurzen Reichweiten und langen Ladezeiten bemängeln Interessenten immer wieder die Ladeinfrastruktur. Vor allem auf dem Land sind Ladesäulen rar gesät.

Zugleich fällt bei Fahrten durch ländliche Gegenden auf, dass vielerorts Solaranlagen auf den Dächern installiert sind. Von deren Kapazität schöpft bisher nur der Eigner. Scheint die Sonne und steht das E-Auto daheim, kann er damit täglich dessen Bedarf für regionale Strecken decken. Aber wenn der Wagen unterwegs ist, fließt der Großteil des Solarstroms für einen Spottpreis in das Betreibernetz: Seit einigen Jahren bringt er kümmerliche 7 Cent pro Kilowattstunde ein, während an öffentlichen Ladesäulen ein Vielfaches fällig wird.

Einen Ausweg aus der Misere zeigt nun der zurzeit strauchelnde E-Autohersteller Tesla. Der Schlüssel dazu ist die Tesla-App, die normalerweise an ein bestimmtes Fahrzeug gebunden ist. Damit liest man etwa Statusmeldungen aus oder schaltet Ladevorgänge. Früher musste man ein Tesla-Auto besitzen, um die App auf seinem Smartphone nutzen zu dürfen.

Der Hersteller hat diese Bindung längst aufgehoben und ursprünglich dachten Fachleute, dass das nur geschah, damit Fahrer fremder Fabrikate Teslas Supercharger-Ladesäulen ebenfalls nutzen können. Hacker fanden aber bei Analysen von Teslas Wallbox heraus, dem Wallconnector Gen 3, dass das Unternehmen vermutlich ein neues Geschäft plant: die Vermittlung von Ladestrom aus privaten Wallboxen an fremde E-Autofahrer.

Um Solarstrom zu verkaufen, trägt man in der Tesla-App einfach seine Kreditkartendaten ein und hängt die Tesla-Wallbox über den Gartenzaun, damit sie öffentlich zugänglich ist. Anschließend verknüpft man sie mit Teslas Cloud und trägt zum Beispiel 35 Cent pro Kilowattstunde ein. E-Fahrer, die ihr Auto an einer solchen Wallbox betanken wollen, brauchen ebenfalls die Tesla-App mit gültigen Kreditkartendaten. So weiß die Tesla-Cloud, wer wie viel Strom von einer bestimmten Tesla-Wallbox geladen hat, zieht den Betrag ein, eine Provision ab und zahlt dem Wallbox-Betreiber den Rest aus.

Auch die deutsche Firma chargeIQ arbeitet an einem solchen Dienst und weitere Nachahmer dürften bald folgen. Das Konzept erscheint besonders für private Stromerzeuger attraktiv.

Das Gute daran: Dieses Feature wird Tesla in vielen Ländern anbieten . Das Schlechte: In Deutschland kommt es vorerst nicht. Denn das öffentliche Laden an privaten Wallboxen unterliegt hierzulande der Ladesäulenverordnung. Diese Verordnung wurde offenbar nur mit Blick auf große Anbieter entworfen, für die besondere Pflichten gelten. Beispielsweise müssen öffentliche Ladesäulen geeichte Zähler enthalten, damit man als Gewerbetreibender die Abrechnungen beim Finanzamt vorlegen kann. Doch Tesla-Wallboxen sind nicht geeicht. Deshalb muss das Finanzamt die Tesla-Abrechnungen der Wallbox-Besitzer ablehnen.

Dabei dürfte es sich beim geschilderten, privaten Ladesäulenangebot in der Regel sogar bei oft angezapften Wallboxen um Kleingewerbe handeln, das selbst im lichtreichen Sommer bestenfalls wenige hundert Euro monatlich umsetzt. Das liegt hauptsächlich daran, dass die Kapazitäten einer Solaranlage nur dann für Dritte zur Verfügung stehen, wenn das eigene E-Auto entweder vollgeladen oder unterwegs ist.

Beispielsweise lieferte die Solaranlage eines Kollegen bei 10 Kilowatt Spitzenleistung im Juli 2022 an etwa 15 Tagen 50 bis 60 Kilowattstunden (kWh) und an den übrigen Tagen meist zwischen 20 und 30 kWh. Aber das zugehörige E-Auto war an vielen Tagen abwesend, sodass eigentlich viel Strom für fremde E-Autofahrer übrig war.

Da Wallboxen keine Schnellladesäulen sind (max. 11 kW), ziehen sich Ladevorgänge etwas hin. Aber die Leistung genügt, um auf Reisen übers Land einen fast leeren Akku so weit aufzufüllen, dass man bis zur nächsten Schnellladesäule oder gar ans Ziel kommt. Unterm Strich dürften in den meisten Fällen pro Ladevorgang nicht mehr als 20 bis 30 kWh abgegeben werden, was bei 35 Cent pro kWh höchstens 10 Euro sind.

Daher erscheint es überzogen, die aktuelle Ladesäulenverordnung auf die Wallboxen anzuwenden. Das Eichamt stellt sicher, dass an der Ladesäule niemand zu viel zahlt, die Zähler müssen die Messgenauigkeit einhalten. Aber insgesamt erscheint der Aufwand für Kleinanbieter zu hoch.

Konkret muss eine geeichte Wallbox beziehungsweise deren geeichter Zähler ein individuelles kryptografisches Schlüsselpaar enthalten. Den öffentlichen Teil übergibt der Hersteller der Bundesnetzagentur, der private bleibt gut gesichert im Zähler. Die Bundesnetzagentur stellt die öffentlichen Schlüssel zum Download bereit. Außen am Gehäuse muss die individuelle Nummer des Zählers angebracht sein, damit Kunden sie ablesen können.

Der Ladevorgang läuft dann so ab: Bevor die Wallbox den Strom freigibt, signiert und speichert sie den aktuellen Zählerstand. Am Ende geschieht das noch einmal, sodass zwei signierte Datensätze mitsamt Datum, Uhrzeit und geladenen Kilowattstunden den Ladevorgang dokumentieren. Außerdem soll die Abrechnung aufführen, wo man die Zählermeldungen laden kann, um sie zu prüfen.

Dann können Kunden den öffentlichen Schlüssel von der Bundesnetzagentur abrufen und damit zum Beispiel die Safe- oder die Chargy-App füttern. Sie testen, ob die abgerechneten Zählerstände mit denen übereinstimmen, die die Wallbox angezeigt hat. Damit kann man anhand des vom Anbieter angegebenen Strompreises ermitteln, ob dessen Rechnung korrekt ist.

In der Praxis hapert es an der Umsetzung. Beispielsweise gibt EnBW, einer der bundesweit tätigen Anbieter, auf seinen Abrechnungen nicht an, wo man die Schlüssel bekommt, auch fehlen Zählerstände. Telefonisch befragt, weiß die Hotline von EnBW zunächst nicht, wovon die Rede ist, wenn man nach den Transaktionsdaten fragt. Schließlich kommt heraus: Man muss einen individuellen Vorgang bei EnBW auslösen, um die Daten zu bekommen.

Andere Länder in Europa haben sich vergleichbare Verordnungen gespart. Im einfachsten Fall blendet die Säule die Zählerstände einfach im Display ein, sodass Verbraucher diese unmittelbar ablesen und gegenrechnen können.

Aber die Elektromobilität wird nicht nur durch eine lückenhaft umgesetzte Ladesäulenverordnung gebremst, sondern auch von der Eichverordnung. Wallbox-Hersteller müssen der Eichbehörde jede Softwareänderung zur Prüfung vorlegen. Die Eichungen dauern mehrere Monate und kosten fünfstellige Beträge. Die Prüfung besteht aus zwei Teilen, die für Ladesäulen und Wallboxen gleich sind: Zuerst untersucht das Eichamt in der Baumusterprüfung, ob eine Box die Messgenauigkeit einhält und ob sie wie vorgeschrieben signiert. Anschließend baut der Hersteller einen zertifizierten Prüfstand auf und misst damit jede einzelne Wallbox einige Minuten lang bei Volllast. Das ist die End-of-line-Prüfung. Wallboxen, die dabei durchfallen, dürfen nicht in den Handel. Zudem muss der Hersteller einen Sachverständigen benennen sowie jährlich zwei externen Auditoren Zugang gewähren, damit sie den Prüfstand und die Dokumentation auf Korrektheit überprüfen können.

Clevere Wallbox-Hersteller spalten die Software in einen unveränderlichen und einen veränderlichen Teil auf, um die Anzahl der Software-Prüfungen zu minimieren. Dann muss nur der Zähler neu zertifiziert werden, falls sich an seiner Firmware etwas ändert. Trotzdem sind geeichte Wallboxen heute doppelt so teuer wie herkömmliche.

Dabei könnte man die Konformitätsprüfung wie beim CE-Zeichen dem Hersteller überlassen. Der müsste dann die Verantwortung dafür tragen, dass seine Geräte die Anforderungen erfüllen, und die Prüfbehörde begnügt sich mit Stichproben. Sollten dabei zu viele Geräte durchfallen, veranlasst sie Rückrufe.

Zusätzlich könnte die Ladesäulenverordnung kleingewerbliche Anbieter von geeichten Zählern entbinden. Einfache Zähler gemäß der EU-weit gültigen Measurement Instruments Directive (MID) sollten genügen. Kunden können ja den Ladevorgang im Zweifel abbrechen, falls sie den Eindruck haben, dass mehr Cents kassiert werden als Elektronen fließen. Man kann davon ausgehen, dass solche Ladesäulen schnell in Verruf geraten; dafür wären Lade-Apps mit Bewertungsfunktionen hilfreich. MID-Zähler sollten auch dann genügen, wenn Arbeitgeber ihren Mitarbeitern Wallboxen auf Firmenparkplätzen zur Verfügung stellen wollen oder wenn Mitarbeiter ein Dienstfahrzeug daheim aufladen.

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